Abwassermonitoring: Ein Baustein zur Bekämpfung von Pandemien

Abwassermonitoring

Bild von Michal Jarmoluk auf Pixabay

Alles was Gewerbe, Krankenhäuser und Privathaushalte an flüssigem Abfall produzieren, landet irgendwann in einer kommunalen Kläranlage. Darunter auch alle menschlichen Ausscheidungen samt ihrer lebenden Mitbewohner. Auch Arzneimittelrückstände sammeln sich in Kläranlagen. Das Abwasser ist also ein pharmakologisches und mikrobiologisches Spiegelbild des Gesundheitszustandes der Bevölkerung im Einzugsgebiet einer Kläranlage. In ihm sind Arzneimittel ebenso nachweisbar wie Bakterien, Viren und Parasiten. Diese Tatsache, so die Idee von Labormedizinern und Epidemiologen könnte für eine Art Frühwarnsystem im öffentlichen Gesundheitswesen genutzt werden und als „Abwasserepidemiologie“ ihren Beitrag zur Bewertung der Gesundheitslage eines Teils der Bevölkerung leisten.

Die Corona-Pandemie verleiht dem Abwassermonitoring neuen Schub

Die Molekularbiologie ist heue so weit fortgeschritten, dass sie Spuren von Leben in nahezu allen flüssigen Medien nachweisen kann, selbst in Kloake. Spezialisierte Labore können nicht nur Erbinformationen von Menschen, Tieren, Mikroorganismen und Pflanzen im Abwasser aufspüren, sie finden in Kläranlagen auch Stoffwechselprodukte der Lebewesen, die in ihrem Einzugsgebiet leben. Von Interesse sind Rückstände von Arzneimitteln und Drogen, da manche von ihnen sich als umweltschädlich erweisen könnten. Bekanntestes Beispiel sind Antibiotika und deren Rückstände, die tödlich für Teile der mikrobiellen Welt in Bächen, Flüssen und Seen sein könnten und zudem zur Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen beitragen. Mit Aufkommen der Corona-Pandemie und gleichzeitig verbesserten molekularbiologischen Testmethoden erscheint es heute sogar möglich, Abwassermonitoring zur Analyse eines akuten Infektionsgeschehens und für epidemiologische Untersuchungen heranzuziehen. Moderne PCR und Sequenzierungstechniken erlauben es aus Material von Kläranlagen Viren und sogar Virusvarianten zu identifizieren. Dadurch ist es möglich, einen umfassenden epidemiologischen Überblick über das Infektionsgeschehen im Umkreis einer Kläranlage, meist einer oder mehrerer Gemeinden, zeitnah und verlässlich zu gewinnen.

Der große Vorteil des Abwassermonitorings liegt in der unkonventionellen Probengewinnung, der sich im normalen Alltagsleben kein Mensch entziehen kann. Jeder Träger des Corona-Virus, egal ob mit Symptomen erkrankt oder unerkannt ohne Symptome scheidet Viren aus, die über Toilette und Abwasser in der Kläranlage landen. So haben Analysen im Rahmen eines Forschungsprojektes ergeben, dass die Daten des Abwassermonitorings in Beziehung zu den Ergebnissen der vielen Corona-Tests gebracht werden können, die per Abstrich ermittelt worden sind. Sie erlauben selbstverständlich keine Aussagen über einzelne Personen oder kleine Personengruppen, sind aber umfassender, geben früher über das Infektionsgeschehen Auskunft und können zeitnah die Entwicklung von Mutationen prognostizieren. Somit bietet das Abwassermonitoring die Chance, das Krisenmanagement von Pandemien und Epidemien auf zuverlässige, nicht personengebundene Daten zu stützen. Politische Entscheidungen über Einschränkungen von Grundrechten oder deren Aufhebung lassen sich auf Basis solcher Daten viel besser begründen und sollten die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen.